Weiterführende Informationen: Wie wird Achtsamkeit gemessen?
Um herauszufinden, wie „achtsam“ jemand „tatsächlich“ ist werden meist Fragebögen eingesetzt, die die Selbsteinschätzung bzgl. des typischen Verhaltens der Person erfragen. Ein typisches Item lautet: „Ich bin in Kontakt mit meinen Erfahrungen, hier und jetzt.“
Operationalisierungen der Achtsamkeit
Mittlerweile wurden ca. 10 Fragebogen zur Achtsamkeit veröffentlicht. Dazu zählen z.B. die 'Mindfulness and Attention Awarenes Scale' (MAAS) (Brown & Ryan, 2003), zweitens die 'Toronto Mindfulness Scale' von Bishop et al. (Bishop et al., 2004) sowie drittens der '`Freiburger Fragebogen zur Achtsamkeit' (FFA) von Walach et al. (Walach et al., 2006).
Alle Fragebogen präsentieren gute empirische Werte. Der FFA von Buchheld (2000) (vgl. auch Walach et al., 2003; 2006) ist die nicht erste deutschsprachige Operationalisierung des Konstrukts Achtsamkeit. Vorher versuchten bereits Majumdar (2000) und Majumdar & Walach (2001) einen englisch-sprachigen unveröffentlichten Fragebogen ins Deutsche zu übertragen (vgl. Teasdale; 1997); nach eigenen Angaben der Autoren waren jedoch die resultierenden empirischen Kennwerte trotz sorgfältiger Übersetzung unzureichend (Walach et al., 2003). In der Folge konstruierten die Autoren dann den FFA, der auf die Trait-Erfassung des Konstrukts abzielt. Folgende Items werden beispielsweise im FFA eingesetzt: „Ich nehme meine Gefühle wahr, ohne auf sie reagieren zu müssen“, „Ich versuche in Kontakt zu sein mit dem, was gerade ist, hier und jetzt“ oder „Wenn ich merke, dass ich abwesend war, kehre ich sanft zur Erfahrung des Augenblicks zurück“.
Die psychometrischen Kennwerte des Freiburger Fragebogen zur Achtsamkeit (FFA)
Die psychometrischen Kennwerte sind gut: Kronbach's Alpha wird mit .93 angegeben. Eine vier faktorielle Struktur erklärt 54% der Varianz (vgl. Buchheld, 2000; S. 96). Auch für Homogenität (.33) und durchschnittliche Geldschwierigkeit (.64) werden gute Werte gefunden. Daten zur Kriteriums- und Konstruktvalidität liegen jedoch bislang nur für einige Ergebnisse vor (vgl. Michalak, Ströhle & Heidenreich, 2006).
Weiterhin findet die Autorin Ergebnisse, die darauf hindeuten, dass in entsprechenden Intensiv-Trainings die mit ihrem Instrument erfasste Achtsamkeit steigt, was ein Beleg für die Konstruktvalidität ist. Zum Teil aus steht auch noch eine direkte Untersuchung des Zusammenhangs der Anstiege in Achtsamkeit und Symptomreduzierung / Gesundheit; Michalak, Ströhle & Heidenreich (2006) fanden dies bzgl. hypothesenkonforme Zusammenhänge mit Depression und Angst; Diese vergleichsweise geringe Befundlage kann mit auch daran liegen, dass Skalen zur Erfassung von Achtsamkeit noch nicht lange vorliegen. Auch für die englisch-sprachigen Operationalisierungen liegen Befunde vor, die einen Zusammenhang von Trainingsdauer, Anstieg der gemessenen Achtsamkeit und Symptomreduzierung / seelischer Gesundheit finden (z.B. für den MAAS vgl. Brown & Ryan, 2003).
Anderer Messmethoden als der Fragebogen-Ansatz
Der Einsatz von Fragebogen zur Messung von Achtsamkeit wird von einigen Autoren aber auch scharf kritisiert (Grossman et a., 2008). Die Kritik besteht im Kern darin, dass das Wissen um die eigene Achtsamkeit ein inhärente Paradoxon birgt: Je weniger achtsam ich bin, desto mehr denke ich, dass ich achtsam bin. Und umgekehrt: Je achtsamer ich bin, desto mehr weiss ich, wie wenig ich (zu vielen Gelegenheiten) achtsam bin. So führt Grossman an, dass Studenten mit sehr hohem Alkohol- und Drogenkonsum („Binge students“) angeben, sie seien sehr achtsam.
Dagegen findet man bei Menschen, die an einem Achtsamkeitstraining teilgenommen haben, mitunter den umgekehrten Effekt: Sie geben nach dem Training an, dass sie weniger achtsam seien als vorher („backflipping effect“). Das liegt nicht daran, dass sie nach dem Training weniger achtsam sind als vor dem Training. Vielmehr hat sich durch das Training der Referenzpunkt verschoben, der für die eigene Einschätzung der Achtsamkeit verantwortlich ist. So weiß man nach dem Training, dass das Verhalten, das ich vorher als achtsam eingeschätzt habe, in Wahrheit gar nicht so achtsam war. Das Training hat eine realistischere – und bescheidenere – Einschätzung der eigenen Achtsamkeit nach sich gezogen.
Was ist ein Ausweg aus der Misere? Grossman schlägt qualitative Interviews vor anstelle von standardisierten Fragebogen. Ein weiterer Weg kann es sein, dass man die Kursleiter des Achtsamkeitstrainings fragt, wie sich nach ihrer Einschätzung die Achtsamkeit eines bestimmten Teilnehmers verändert hat. Ein weiterer Zugang besteht über indirekte Verfahren: Zum Beispiel über neuropsychologische Messungen (z.B. Aktivierung bestimmter Hirnareale) oder über indirekte psychologische Messungen (z.B. Fähigkeit zur verbesserten Perspektivenübernahme, was ein Effekt von Achtsamkeit sein sollte).
Letztlich ist noch nicht klar, was der „richtige“ Weg ist, um Achtsamkeit zu messen. Klar ist aber auch, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht auf Fragebogen verzichtet werden kann.